Der Tragödie vierter Teil

FEHLEN  UNS  MORGEN  DIE PROFESSOREN AN FACHHOCHSCHULEN  ?

Frankfurter Allgemeine Zeitung
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Datum: 4. Mai 2000

L e s e r b r i e f 

Auf die Professoren – in Universitäten wie in Fachhochschulen – zielen die Politiker, was Besoldung wie Leistung angeht. Erstere war nach allgemeiner Fama schon immer kümmerlich, letztere umso großartiger. Seit Jahrzehnten – sprechen wir politisch korrekt nur ab Post–68 – können wir alle ein Lied davon singen. Jetzt aber zieht die „Katastrophe für Deutschland“ auf  und

 „ein Jahresgehalt von nicht einmal 90.000 DM (ein dreizehntes Monatsgehalt wird Professoren schon seit geraumer Zeit nicht mehr voll gezahlt)... Wer wird sich in Zukunft für das Amt eines Professors an einer Fachhochschule noch gewinnen lassen ? Besonders gut qualifizierte oder gar Spitzenkräfte bestimmt nicht mehr“ macht Professor Ludwig 
( ‘Professoren-Besoldung und Leistung’ in F.A.Z. vom 15.4.2000) die beängstigende Feststellung neben der weiteren,

mit der „angestrebten leistungsorientierten Besoldung .... eine angepasste Leistung (zu) bewirken (und) mit Billigniveau .... die Besoldungsreform zum Zusammenbruch der Lehre und der anwendungsorientierten Forschung an den Fachhochschulen (zu) führen – qualitativ und quantitativ. Es werden die Weichen für eine weitere Bildungskatastrophe gestellt ....sonst kehren die Spitzenleute den deutschen Hochschulen den Rücken“.

An anderer Stelle (‚Bald Green Cards für Hochschullehrer nötig’ von Prof. Dr. Mosel in der F.A.Z. vom 10.4.2000 ) werden schon „Green Cards“ für Hochschullehrer in den ‚harten’ Naturwissenschaften in einigen Jahren gesehen.

Das alles lässt Schlimmstes befürchten .

Dabei denke ich zuvorderst an den Alten Fritz, bei dem bekanntlich jeder Muschkote den Marschallstab im Tornister mitführte. Ihn werden die virtuellen  Professoren an Fachhochschulen trotz gesuchter Titulatur in Zukunft ausschlagen bei der avisierten miserablen staatlichen Apanage. Sie werden (noch) lieber in die sog. freie Wirtschaft gehen – nein, falsch: sie werden lieber gleich dort bleiben, denn sie erarbeiten ja schon heute dort Schritt für Schritt ihre praxisorientierte Berufsqualifikation (und künftig sicherlich auch die virtuellen Uni-Professoren, sobald die Habilitation abgeschafft ist....).

Sie werden sich dort auch alle lieber über kurz oder lang zu Vorständen oder besser gleich zum Vorstandsvorsitzenden ( dieser heißt dann sicher CEO...) küren lassen

zu numerisch weit höheren Apanagen - stramm leistungsorientiert unter der Fuchtel von shareholders value, 5-Jahresverträgen, täglicher Rausschmissgefahr und den “Teamgeistdrohungen“ auf Vorstandsebene, steuerlichem Progressionsdruck und krankheitsverdächtigem Bluthochdruck - weit entfernt von professoraler Freiheit von Forschung und Lehre.

Doch endlich zum leidigen Geld, wenngleich man’s bekanntlich hat und nicht darüber spricht -  das bundesweite Lamento lässt keine andere Wahl.

Als C3 – Professor „unterhält“ mich Papa Staat in der letzten Besoldungsstufe mit rund 120.000 DM im Jahr, wie man weiss. Nicht gerade viel mit Kindern im Studium. Gilt nicht für mich, doch kein berechtigter Einwand ist mir fremd. Was steht dem gegenüber an Leistung, von ‚Maloche’ spricht man zu Recht nicht in intellektuellen Kreisen ?

Unser Sonnenjahr zählt 52 Wochen auf zwei Semester verteilt, also 26 Wochen hälftig, von denen nach Recht und Gesetz das Meiste vorlesungsfreie Zeit ist und aufgrund meiner Erfahrung in 20 Jahren  allenfalls 12 Wochen im Semester theoretisch für Lehrveranstaltungen genutzt werden können, doch faktisch weit trefflicher beschnitten werden.

Der Ruf nach dem Faustischen Ostermarsch als Goethe-Requisit lässt das Hochschulgebäude in den beiden Osterwochen leerstehen. Ein oder zwei Steuerkongresse befreien “aus dienstlichen Gründen” (versteht sich !) den Dekan für weitere ganze Wochen von lästigen Lehrveranstaltungen und die Studenten “weinen” deswegen keineswegs, denn “gekaufte” Meinungsmacher bestimmen die Richtung. Weitere Lehrveranstaltungen werden trefflich geblockt (erfahrungsgemäss durchaus bis herunter auf 5 Wochen) und „vom Eise befreit“ sind etliche weitere Wochen frei für anderes, so dass sich schwerlich noch von einem gesetzlich ordnungsgemässen und pädagogisch vertretbaren Lehrplan sprechen lässt.

Universitätsübliche Vorlesungsverzeichnisse mit Tag und Stunde hat es in der ganzen Hochschule noch nie gegeben, womit man locker formalen Unwägbarkeiten aus dem Wege geht und das Gesetz der Beliebigkeit herrscht - von eingesparten Druckkosten sprechen wir garnicht. Über die feiertäglichen Donnerstage im Sommersemester mit anschließendem Freitag „per fare un ponte“ verliere ich vornehm kein Wort .... machen’s nicht Müllwerker genauso ?

O.K.: vier weitere Tage für Klausur- und Diplomarbeitskorrekturen und ein weiterer Tag für die mündliche Prüfung – cosi fan tutte. Wo ?

An der FH in Worms als einziger Hochschule des Landes seit 22 Jahren mit ministerieller Kenntnis bei einem FH-Lehrdeputat von 18 Semesterwochenstunden (SWS), nein, pardon, nur 16 SWS, denn 2 SWS gehen auf das Durchlesen der Diplomarbeiten

Und woanders - bei einem Uni-Lehrdeputat von 8 oder 6 oder 4 SWS (und rigoroser Assistentenlehr- und Korrekturtätigkeit) -  wer weiß ?

Der Mensch sei nicht kleinlich und Streit liegt mir fern : Daher meine generöse Aufrundung auf zehn reale Vorlesungswochen mit je zwei Vorlesungstagen  (wer tagträumt da noch von Di-Mi-Do-Professoren, wo’s bestenfalls nur Di-Mi’s gibt ?) oder

20 Tagen im Semester bzw. 40 Tagen im Jahr (wer faselt da von zeitraubenden vorlesungsbezogenen Vor- und Nachbereitungen, wenn Studenten klagen über Umsatzsteuervorlesungen, die ‚Europa’ noch garnicht mitbekommen haben – wie sollen’s da die Studenten ?),

was bei 220 Regel–Arbeitstagen in Deutschland weniger als 20 % ausmacht

Von der 90-Stundenwoche eines Professors hat man auch schon vernommen, sogar gelesen in einem Leserbrief – doch als ernsthafter Beitrag zur Genesung der Lehre eher lustig und eindeutig beweispflichtig.

Also doch „faule Professoren“ ?

Quelle: F.A.Z.

Mitnichten -  denn wer lässt sich schon gern „die Decke auf den Kopf fallen“. Auch Profs besitzen ein gesundes Arbeitsempfinden, ohne deswegen der krebsigen Schattenwirtschaft verfallen zu müssen.

Wir nennen diese Art von Pfründe „Nebentätigkeiten“ und die brauchen wir Fachhochschulprofessoren auch dringend , um „anwendungsorientiert und praxisbezogen“ (Gellte es da ‚Forschung’ aus dem Hochschulwald ?)  lehren zu können. Leider profitieren nach meiner Erfahrung die Vorlesungen kaum bis garnicht davon [ und allenfalls zur Steigerung der Reputierlichkeit ] , doch weiteres gutes Geld zu machen – an Zeit dazu fehlt es wahrlich nicht – ist tröstlich und ist die verdrängte Wahrheit auf vielen Berufsfeldern in Konkurrenz zu freiberuflichen Mittelständlern.

Und wie steht’s mit den Dutzenden von Büchern , die der einzelne Prof der Bibliothek monatelang zum Schaden der Studenten entzieht, weil kostensparend für die eigene Steuerberaterpraxis ?

Einzelbücher erklärtermassen der Bibliothek entzogen werden, um zu verhindern, dass Studenten sich damit auf das Examen vorbereiten – klingt pervers ? Bei den Nibelungen sah’s schon im Mittelalter finster aus.

PC’s auf FH-Kosten beschafft werden und nach Hause wandern und man eigentlich sagen müsste, die Informatikstudenten „schauen in die Röhre“, wär’s nicht so makaber doppeldeutig.

Geschriebene Klausuren nicht im Lehrsaal besprochen und auch nicht an die Studenten zurückgegeben werden, um sich Unzumutbarkeiten vom Leib zu
halten : Kritik und Beanstandungen der Studenten über schludrige Bewertungen und lieber lässt man sie ständig zum Verwaltungsgericht ziehen und klagen ! Auch wäre die Klausur „verbrannt“ und könnte nicht erneut als Prüfungsaufgabe gestellt werden !

Die erwähnten 120 000 DM wage ich schon garnicht mehr in den Mund zu nehmen

und noch dazu bei Unkündbarkeit, Beihilfeberechtigung und vergleichsweise opulenten Pensionsrechten – soll’ ich wirklich noch hochrechnen.... schnell käme ich zum Einkunftsmillionär ( vor Steuern natürlich nur....) und das wär’ ‚nicht von schlechten Eltern’......

Die Gesellschaft auf deutschem Boden muss noch gefunden werden,
die damit konkurrieren kann
.

Wenn Daimler mit seinen Plänen Ernst macht und sich Chrysler auf Vorstandsebene dergestalt angepasst hat, finden wir wenigstens eine.

Zum garstig Lied vom Geld gehören auch die systembedingten sinekuren Takte, ohne die der Steuerzahler nur falsches staccato zu hören bekommt.

Über die „Bildungskatastrophe“ dagegen rechte ich schon heute aus guten Gründen mit keinem und sichtliches „Billigniveau“ wird noch manche Green-Card-Strohhalmphantasterei spriessen lassen, bis endlich auch die Currywurst des Bundeskanzlers aus dem Internet kommt.

Alles nur ein garstig Lied, das ein in der Natur nicht gerade für die Schönheit seines Zwitscherns bekannter „Spatz von den Dächern pfeift“ ?

Seit Jahren sehe ich solchen Betrieb und das alles unter dem Motto der „Freiheit von Lehre und Forschung“ und die Hochschule ein Freiraum für jedwede Eskapade, für den sich niemand zuständig sieht....

Wie will man da noch den Studenten ernsthaft kommen mit der “Gesetzmässigkeit der Verwaltung” und mit der „Tatbestandsmässigkeit des Verwaltungshandelns“ und überhaupt dem „Gedanken des Rechtsstaats“ ? 

Leben wir mittlerweile wirklich in einer Bananenrepublik ?

Ich sehe die deutschen „Thermopylen“ und höre den Dichter :

Wanderer, kommst Du nach Sparta, so melde dorten du habest,

Professoren hier arbeiten gesehen, wie das Gesetz es befahl.

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. Litfin

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